Der chinesische Aktienmarkt hat zuletzt 20 % verloren. Bereitet Ihnen das nicht Sorge?

Glücklich bin ich über diese Entwicklung nicht. Der Anteil chinesischer Aktien ist mit ca. 10 % zwar nicht enorm, dennoch hat es ohne Zweifel Performance „gekostet“.

Die Wucht der Regulierung hat viele überrascht. Vor allem, dass viele unterschiedliche Eingriffe zugleich vorgenommen worden sind.

In der Tat gab es viele Maßnahmen der Behörden. Angeprangert wurden insbesondere die großen Internetfirmen, die es mit der Datensicherheit nicht so ernst genommen haben. Dazu kamen dann Verfahren gegen Unternehmen, die sich nicht wettbewerbskonform verhielten. Arbeitnehmer mit geringem Lohn wie Auslieferungsfahrer von Onlinediensten sollen zukünftig einen Mindestlohn erhalten und sozialversichert werden. Ferner sollen bestimmte Einkommensarten bei Unternehmen höher besteuert werden. Auch wird zukünftig die Anforderung an die Datensicherheit bei Gesellschaften deutlich erhöht werden. Dies sind nur einige Beispiele, was sich in den letzten Wochen im Reich der Mitte zugetragen hat.

Was sind Ihrer Auffassung nach den Beweggründen für diese Entwicklung?

Es gibt mehrere Gründe. Ich bin davon überzeugt, dass es der KP China gar nicht gepasst hat, dass die Internetgiganten aufgrund Ihrer Daten eine solche Macht hatten. Aus diesem Grund haben sich Staatspräsident Xi und seine Behörden daran gemacht, diese Machtbasis zu zerbrechen, ohne die Gesellschaften zu zerschlagen. Dazu bediente man sich der Regulierung. Bisher war das Internetgeschäft mehr oder weniger eine Art Freihandelszone in China, auf die der Staat wenig Einfluss genommen hat.

Jetzt wurden zugleich auch die Rechte der Verbraucher und Arbeitnehmer gestärkt. Mit dieser Strategie will der Staat u.a. „Wohlstand für Alle“ erreichen. China möchte den Spagat hinbekommen, dass Arbeit und Kapital sich lohnen, aber auf der anderen Seite auch, dass der Sozialstaat nicht gefährdet wird.

Wie geht es nun weiter mit den Aktien aus Fernost? Halten Sie an Ihren Positionen noch fest?

Ja, weil ich an den langfristigen Erfolg der Unternehmen im Portfolio glaube. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die chinesische Führung die Gesellschaften so schädigen wird, dass diese nicht mehr konkurrenzfähig sind. Denn darüber sollte man sich im Klaren sein, China wird seine eigene Wirtschaft niemals derart schwächen, dass andere Nationen davon profitieren. Das Wachstum Chinas hängt am Tropf der privaten Wirtschaft. 90 % aller Arbeitnehmer in den Städten arbeiten für die Privatwirtschaft. Die Digitale Ökonomie trägt bereits mit 40 % zum Bruttosozialprodukt Chinas bei. Die chinesische Zeitung Caixin beschreibt es m. E. treffend: Der Staat will die Lage der Menschen verbessern, aber der Wirtschaft so wenig wie möglich wehtun. Weiter wird China in den kommenden Jahren die USA als bedeutendste Wirtschaftsnation der Welt ablösen. Es strebt weiter größere Unabhängigkeit vom Westen an. Dies sollte mittelfristig für China als Investitionsstandort sprechen.

Der Abverkauf der chinesischen Dividendenwerte (siehe blaue Linie im Chart) im Vergleich zu US-Aktien war heftig. Die Stimmung zugunsten Aktien aus dem Reich der Mitte ist derzeit mies. Hier verfahre ich aber nach dem Motto von Warren Buffett: „Sei gierig, wenn andere ängstlich sind“. Den Optimismus nehme ich vor allem aus der wirtschaftlichen Stärke der einzelnen Gesellschaften im Portfolio. Die US-Wirtschaftszeitung Barrons empfiehlt in ihrer aktuellen Ausgabe z. B. die auch von mir allokierte Alibaba. Das Unternehmen hat einen Marktanteil von knapp 50 % am E-Commerce in China und mehr als 1 Mrd. Kunden. Alibaba hat $ 73 Mrd. Barmittel und wie Amazon 2020 $ 22 Mrd. verdient. Es wird aber nur mit einem KGV von 15 für das nächste Jahr bewertet. Mit steigendem Wohlstand in China sollte Alibaba überdurchschnittlich von der Konsumnachfrage profitieren.

Ob der chinesische Aktienmarkt bereits den Boden gefunden hat, wird sich in den kommenden Wochen herausstellen. Langfristig bin ich unverändert von den Titeln im Portfolio fest überzeugt und erwarte auf Sicht der nächsten Jahre überdurchschnittliche Kursgewinne.

Ihr
Andreas Schmidt