Warum erhöht die amerikanische Notenbank trotz steigender Inflationszahlen nicht die Leitzinsen?

Die FED (Federal Reserve Bank = US-Notenbank) geht davon aus, dass der aktuelle Anstieg der Inflation nicht nachhaltig ist. In den USA lag die Kerninflationsrate (ex Nahrungsmittel und Energie) mit 3 % zuletzt deutlich über ihrer Zielmarke von 2 %. Auch in den kommenden Monaten ist nicht mit einem Rückgang zu rechnen. Dennoch verharren die Währungshüter in Washington in der Wartestellung. Gründe für diese Positionierung sind u. a. die zuletzt unter den Erwartungen veröffentlichten Konjunkturzahlen in den USA.
Der Citi Ökonomie Überraschungsindex ist seit Juli 2020 stetig gefallen und mit dem aktuellen Wert leicht im Minus. Mit anderen Worten, die Wirtschaftsdynamik lässt nach. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, dann könnte die Notenbank trotz vielfacher Kritik recht behalten und der Preisauftrieb verlangsamt sich in 2022 wieder.

In diesem Spannungsfeld befindet sich die Börse aktuell.

Der Pessimist: Eine Zinserhöhung ist unausweichlich, da der Preisauftrieb sehr markant ist und ein Kursrückschlag unvermeidlich.

Der Optimist: Never fight the FED. Solange die Notenbank an Ihrer Geldpolitik festhält, steht die Börsenampel auf Grün.

Wie viel Geld haben die Notenbanken in den vergangenen Jahren für Ihr Anleihenkauf-Programm ausgegeben?

Offen gestanden sind die Zahlen für mich erschreckend! Nicht die amerikanische, sondern die europäische Notenbank ist hier in den letzten Jahren besonders aktiv gewesen. Seit 2014 ist die Bilanzsumme der EZB von $ 2,2 Billionen auf $ 9,0 Billionen gewachsen. Dagegen ist die Bilanzsumme der FED im gleichen Zeitraum von $ 4,5 Bio. auf „nur“ $ 7,8 Bio. gestiegen. Die chinesische Notenbank erhöhte ihr Vermögen um weniger als $ 1 Bio.

Mit anderen Worten: Besonders die europäischen Staaten und Volkswirtschaften hängen am Tropf der EZB! Solange die Bank im Frankfurter Ostend weiterhin in hohem Maße Anleihen vom Markt nimmt, müssen wir uns um die Kursentwicklung an den Börsen keine großen Sorgen machen. Sollte diese Politik aber einmal ins Stocken geraten, ganz zu schweigen umkehren, dann könnte es etwas ruppiger an den Börsen zugehen. Aber danach sieht es derzeit nicht aus. Hier scheint das Motto zu gelten: „The Sky is the limit“ oder „Die Notenbank: Dein Freund und Helfer!“

Welche Unternehmen sorgten im April für besondere Kursbewegungen?

Gut lief es beim US-chinesischen Anbieter von klinischen Studien WuXi AppTec mit einem Kursgewinn von 18 %. Das Unternehmen konnte seinen Quartalsgewinn im Vergleich zu den Erwartungen der Analysten deutlich übertreffen. Statt US $ 66 Mio. wurden $ 231 Mio. verdient.

Die Holdinggesellschaft von Google, Alphabet überraschte die Analysten ebenfalls mit einem um 68 % höheren Ertrag im ersten Quartal 2021. Die Aktie kletterte um $ 291 auf $ 2353.

Trotz eines sehr starken Quartalsabschlusses (+ 17 % über den Erwartungen beim Betriebsergebnis) musste die Enphase Energy Aktie deutliche Einbußen hinnehmen. Der Grund hierfür wie bei vielen anderen Unternehmen: Lieferengpässe beim Bezug von Chips. Wann dieser behoben wird, kann nicht vorhergesagt werden. Dies hat Konsequenzen für das zweite Quartal: Der Umsatz dürfte nur noch um 7 % gegenüber dem Vorquartal wachsen. Die Aktie verlor daraufhin 14 %.

Bemerkenswert bei Apple: Die Analystenschätzungen lagen beim Quartalsumsatz um $ 12 Mrd. zu niedrig! Über 300 Gesellschaften im S&P 500 machen noch nicht einmal diesen Umsatz. So kann man sich irren.

Positive Nachrichten bei Aon, dem UK-Versicherungsunternehmen. Warren Buffett ist dort mit seinem Investmentvehikel Berkshire Hathaway eingestiegen.

Die UBS veröffentlicht eine Studie zum Anlegerverhalten von Family Offices. Was waren die Kernaussagen darin?

191 Family Offices mit einem verwalteten Vermögen von über $ 200 Mrd. haben der zugrundeliegenden Umfrage teilgenommen. Aktien sind danach das „new proxy“ für Renten. 68 % der Gesellschaften planen eine Erhöhung des Anteils an chinesischen Aktien. 85 % wollen mehr in Health Tech investieren, gefolgt von Digitalisierung mit 82 % und 73 % in grüner Technologie. Das Thema, das die Family Offices am meisten beschäftigt: Die hohe Verschuldung der Staaten, dennoch haben sie keine wirklichen Bedenken gegenüber der aktuellen Bewertungssitutation an den Aktienmärkten.

Sell in May and go away?

Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Kursdynamik aus dem ersten Quartal in diesem Tempo fortsetzen wird. Eine Konsolidierung auf hohem Niveau mit der einen oder anderen Korrektur bei stark gestiegenen Werten halte ich für denkbar. Grund für Pessimismus ist aber fehl am Platz, weil die Notenbanken weiter den Fuß nicht vom Gaspedal nehmen und so den Treibstoff für tendenziell steigende Kurse liefern.

PS: im nächsten Fondsletter werde ich ausführlich auf die jetzt veröffentlichte Studie der Internationalen Energie Agentur zum Thema Klimaschutz eingehen, denn diese hat es in sich!

Ihr
Andreas Schmidt